Seit drei Jahren kämpft die Eurozone gegen eine Staatsschuldenkrise. Dabei haben wie die Staaten auch viele Privathaushalte über ihre Verhältnisse gelebt. Schuld daran ist auch der Euro.
Irene Gonzalez lebt in Madrid. Vor 12 Jahren kaufte sie, wie Millionen ihrer Landsleute vor und nach ihr, eine Eigentumswohnung zu einem überhöhten Preis und mit wenig Eigenkapital. Aber die Zinsen waren so günstig und der Immobilienerwerb wurde vom Staat steuerlich gefördert. Inzwischen ist der Wert der Dreizimmer-Wohnung rapide gefallen, und Irene verdient viel weniger als früher.
In dem Moment, wo die Ratenzahlungen für Kredite das Einkommen übersteigen, ist man pleite. Das ist Irene längst. Zinsen und Tilgung kann sie nicht mehr leisten. Würde sie die Wohnung verkaufen, würde sie dafür weniger bekommen als sie noch an Schulden hat. Also harrt sie der Zwangsräumung. “Mein achtjähriger Sohn macht sich Sorgen um seine Spielsachen. Er fragt: Was passiert mit meinen Spielsachen? Er hat große Angst und ist auch deswegen krank geworden”, sagt Irene dem Reporter der Deutschen Welle.
Mehr Privatschulden als Staatsschulden
Das Schicksal der drohenden Zwangsräumung teilt sie mit Hunderttausenden spanischer Haushalte. Insgesamt steht das Land auf der iberischen Halbinsel mit 2,5 Billionen Euro bei seinen Gläubigern in der Kreide. Über 70 Prozent davon sind Privatschulden. Und Spanien ist kein Einzelfall. Während die Staatsschulden in der Eurozone rund 90 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung ausmachen, sind die Privatschulden mindestens dreimal so hoch wie das BIP der Euroländer.
Solche Zahlen sind aber nach Meinung von Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), mit Vorsicht zu genießen: “Man muss sehen, dass der private Sektor sich untereinander Geld schuldet. Das heißt, die Schulden des einen sind die Forderungen des anderen.”
Schulden der Privathaushalte werden zu Bankschulden
Im Falle von Irene Gonzalez hat sie Geld von einer Bank geliehen. Also sind ihre Schulden die Forderungen der Bank. Da sie aber zahlungsunfähig geworden ist, bleibt die Bank auf diesen Forderungen sitzen und muss sie irgendwann abschreiben. Wenn auch viele andere ihre Kredite nicht mehr abzahlen können, dann hat die Bank ein Problem.
Der ganze Bankensektor in Spanien ächzt unter der geplatzten Immobilienblase. 40 Milliarden Euro hat Madrid letztes Jahr vom Rettungsfonds ESM bekommen, um die maroden Geldhäuser zu sanieren. Für diesen Batzen Geld hat der Staat die Haftung übernommen. Mit anderen Worten: Wenn sich die Banken als ein Fass ohne Boden erweisen, dann droht Spanien ein ähnliches Schicksal wie Irland. Der einstige keltische Tiger musste 70 Milliarden Euro für die Bankenrettung aufwenden und schlüpfte dann selber unter den Rettungsschirm.
Bankschulden werden zu Staatsschulden
Das heißt: Die Grenze zwischen Privat- und Staatsschulden ist fließend. Für beide Schulden gilt, dass sie nicht per se schlecht sind. “Ohne Verschuldung könnten die Unternehmen nicht investieren. Das heißt, Schulden und Kreditbeziehung sind eigentlich das Fundament unseres Wohlstandes”, sagt Ökonom Fuest gegenüber der DW. Problematisch werde es, wenn die Schulden nicht mehr in Relation zum Einkommen und zur Leistungsfähigkeit der Menschen stünden, meint Hanno Beck, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Pforzheim. In einigen Ländern der Eurozone sei das eindeutig der Fall. Zu dieser Entwicklung habe auch der Euro beigetragen, der den Blick der Investoren auf diese Länder verändert habe, sagt Fuest: “Das Abwertungsrisiko war weg, deshalb war man eher bereit, dort zu investieren, die Zinsen sind gesunken und die Menschen haben auf die Zinssenkung reagiert, indem sie sich mehr verschuldet haben.”
Dabei sind Schuldenexzesse kein speziell südeuropäisches Phänomen. In den Niederlanden sind die Privathaushalte mit 250 Prozent ihres verfügbaren Einkommens verschuldet. Auch in Deutschland bilden sich Keime für eine Immobilienblase, da viele es für attraktiver halten, Darlehen für das so genannte Betongold aufzunehmen, als das Geld zum Nulltarif zu sparen.